06.04.1945: Räumungs­marsch, 1. Nacht in Fuhr­berg (nach 36 Kilo­me­tern)

»Am späten Abend erreich­ten sie ein Dorf. Sie hiel­ten vor der Scheune an, in der sie die Nacht verbrin­gen soll­ten. Auf der Tenne lagen schon viele Menschen. Auf der Suche nach einem freien Platz musste ich über die Köpfe der Liegen­den gehen. Man beschimpfte mich. Mit Mühe klet­terte ich hoch, und nach­dem ich über ein paar liegende Frau­en­kör­per gestie­gen bin, ließ ich mich aufs Stroh fallen. In der Scheune brannte ein schwa­ches elek­tri­sches Licht. In dem ande­ren Teil der Scheune, auf dem Lehm­bo­den, stan­den dicht anein­an­der­ge­drängt Häft­linge. Sie strit­ten mitein­an­der, stöhn­ten, schrien. Man spürte, dass sie sehr gelit­ten haben, da sie wegen Platz­man­gels nicht einmal hocken konn­ten.
Die Block­äl­tes­ten und der Kapo – die Bewa­cher dieser stöh­nen­den Häft­linge – mach­ten es sich auf dem Stroh bequem. Sie mach­ten sich an das Brot, die Marga­rine, den Zucker heran. Die von dem Essen heran­ge­lock­ten Mädchen robb­ten zu den Männern und ließen sich, im Gegen­zug für ein Stück Brot, umar­men. Die Häft­linge von der Tenne riefen: ›Brot und Luft! Brot und Luft!‹ Die Kapos unter­bra­chen für einen Augen­blick ihre Mahl­zeit und die Lieb­ko­sun­gen, um auf die Köpfe der schrei­en­den Männer zu sprin­gen und die Schreie mit Fäus­ten zu ersti­cken. Und dann kamen sie zurück zu den Mädchen … Im Stroh einge­gra­ben zitterte ich vor Kälte und konnte diese Schreie ›Brot und Luft‹ nicht aushal­ten. Was für eine Nacht, was für ein Alptraum.«

Maria Suszyńska-Bartman, ehema­lige Gefan­gene des KZ Conti-Limmer