Das Frauen-KZ der Con­ti­nen­tal AG in Lim­mer

Im han­no­ver­schen Stadt­teil Lim­mer befand sich von Ende Juni 1944 bis Anfang April 1945 ein von den Con­ti­nen­tal Gum­mi­wer­ken errich­te­tes Außen­la­ger zunächst des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Ravens­brück, das ab Sep­tem­ber 1944 dem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Neu­en­gamme unter­stellt wurde. Inter­niert waren dort zuletzt über 1000 Frauen. Es han­delte sich größ­ten­teils um Fran­zö­sin­nen und Polin­nen, die als Résistance-Angehörige oder als Auf­stän­di­sche wie auch als unbe­tei­ligte Zivi­lis­tin­nen wäh­rend des War­schauer Auf­stan­des im August 1944 von den Deut­schen gefan­gen genom­men wor­den waren. Unter ihnen waren aber auch viele Frauen aus der UdSSR und dar­über hin­aus bei­spiels­weise einige Bel­gie­rin­nen, Ita­lie­ne­rin­nen und Spa­nie­rin­nen, die in Frank­reich ver­haf­tet wor­den waren.

Das Lager befand sich zwi­schen dem Continental-Werk und dem Alten Dorf Lim­mer. Es bestand zunächst aus einer höl­zer­nen Wohn­ba­ra­cke, einer Wasch- und Toi­let­ten­ba­ra­cke und einer Küchen­ba­ra­cke. Ein Raum als Kran­ken­re­vier war in die Wohn­ba­ra­cke inte­griert. Eine SS-Verwaltungs- und Unter­kunfts­ba­ra­cke lag im Lager außer­halb eines elek­trisch gela­de­nen Sta­chel­draht­zau­nes, der das innere Lager umgab.

Belegt wurde das Lager Ende Juni 1944 mit 266 Frauen aus einem Trans­port aus dem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ravens­brück. Sie stamm­ten vor allem aus Frank­reich und Russ­land.

Etwa 250 wei­tere Gefan­gene aus dem KZ Salzgitter-Watenstedt kamen im Dezem­ber 1944. Die Con­ti­nen­tal AG hatte zuvor das Lager ver­grö­ßert und eine zweite Wohn­ba­ra­cke sowie wei­tere Neben­ge­bäude errich­tet. Das Lager hatte nun eine Flä­che von 58 m Breite und 165 m Länge.

Anfang Januar 1945 kamen schließ­lich unge­plant fast 500 über­wie­gend pol­ni­sche Frauen aus dem durch einen Luft­an­griff zer­stör­ten KZ Hannover-Langenhagen hinzu. Diese Gefan­ge­nen waren aus Polen, Lett­land und Litauen über das KZ Stutt­hof nach Han­no­ver ver­schleppt wor­den. Das für 500 Gefan­gene vor­ge­se­hene Lager war nun mit über 1000 Frauen völ­lig über­füllt.

Die Frauen hat­ten im Werk Lim­mer der Con­ti­nen­tal AG im Zwei-Schichtsystem von jeweils 12 Stun­den vor allem in der Pro­duk­tion von Gas­mas­ken Zwangs­ar­beit zu leis­ten. Die Gruppe der ehe­mals Lan­gen­ha­ge­ner Gefan­ge­nen war über­wie­gend wei­ter­hin in den Brin­ker Eisen­wer­ken beschäf­tigt. Eine wei­tere Gruppe musste Ent­trüm­me­rungs­ar­bei­ten in der Lin­de­ner Han­no­ver­schen Brot­fa­brik AG (HaBag, heu­tige Harry Brot) in der Blu­men­auer Straße ver­rich­ten. Dabei kam es auch zu Kon­tak­ten mit der han­no­ver­schen Bevöl­ke­rung. Die Gefan­ge­nen in der KZ-Kleidung waren nicht zu über­se­hen:

»Wir gin­gen irgend­eine Haupt­straße ent­lang […] Es gin­gen sehr viele Men­schen an uns vor­bei. Das war für uns nicht beson­ders ange­nehm, weil nicht nur Erwach­sene, son­dern auch Kin­der uns ›Ban­di­ten‹ nann­ten. Es gab noch die Jun­gen aus der Hit­ler­ju­gend, die uns beschimpf­ten und bespuck­ten. Oft bekam eine Frau einen Stein ab oder Sand in die Augen.« (Wanda J., zitiert nach: Janet Anschütz / Irm­traud Heike: »Man hörte auf, ein Mensch zu sein« – Über­le­bende aus den Frau­en­kon­zen­tra­ti­ons­la­gern in Lan­gen­ha­gen und Lim­mer berich­ten, Ham­burg 2003)

Im März 1945 starb die Fran­zö­sin Juli­enne Trouet auf­grund der ver­dor­be­nen Nah­rung an Ruhr.

Die Bewa­chung des Lagers oblag im März 1945 wahr­schein­lich fünf SS-Männern und 19 KZ-Aufseherinnen. Von ihnen sind uns nur zwei, die zeit­wei­lige Ober­auf­se­he­rin Renate Kreu­zer und die Auf­se­he­rin Lina Hil­le­brecht, nament­lich bekannt. Für ver­mut­lich nur knapp zwei Wochen wurde Ende März 1945 der SS-Hauptsturmführer Otto Thüm­mel Lager­füh­rer in Lim­mer. Sté­pha­nie Kuder, eine der fran­zö­si­schen Gefan­ge­nen, schil­dert in ihrem Bericht auch Wider­stands­hand­lun­gen, um sich in dem uner­träg­li­chen Lager­all­tag als Mensch zu behaup­ten:

»Wir hat­ten beschlos­sen, unse­ren Natio­nal­fei­er­tag offen durch eine Schwei­ge­mi­nute zu ehren. Am 14. Juli 1944 haben wir uns alle um 12 Uhr mit­tags in der Continental-Fabrik erho­ben. Die ›Mäuse‹ [SS-Aufseherinnen] betrach­ten uns ver­dutzt und böse. Eine von ihnen tele­fo­niert zum block: ›Es beginnt ein Auf­ruhr.‹ Sie schreien: ›Sit­zen Ruhe!‹, wir bekom­men die ers­ten Schläge. Wir set­zen uns, immer noch in abso­lu­tem Schwei­gen: Die Minute war vor­bei.«

Am 6. April 1945 wurde das Lager geräumt und etwa 930 der inhaf­tier­ten Frauen wur­den gezwun­gen, zu Fuß in Rich­tung Nor­den zu gehen. Fast 80 kranke Frauen blie­ben in Lim­mer zurück. Eine die­ser Frauen ver­starb, die übri­gen wur­den am 10. April von ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten befreit.

Der Marsch der ande­ren Frauen endete am 8. April im KZ Bergen-Belsen, in dem sie am 15. April von bri­ti­schen Sol­da­ten befreit wur­den.

In Bergen-Belsen ver­star­ben wahr­schein­lich mehr als 100 Frauen aus dem KZ Conti-Limmer vor und nach der Befrei­ung an Ent­kräf­tung und auf­grund der dort aus­ge­bro­che­nen Infek­ti­ons­krank­hei­ten. Von 28 dort oder kurz danach Ver­stor­be­nen sind die Namen bekannt.

Die Con­ti­nen­tal AG hatte nicht nur von der Skla­ven­ar­beit der KZ-Gefangenen pro­fi­tiert. Neben dem KZ befand sich auch ein Lager für min­des­tens 1220 aus­län­di­sche Zwangs­ar­bei­te­rIn­nen, des­sen Bara­cken bei einem Luft­an­griff 1943 größ­ten­teils zer­stört wur­den.

Ende 1944 waren rund 40 Pro­zent der Arbeits­kräfte in Han­no­ver Zwangs­ar­bei­te­rIn­nen oder (KZ-)Gefangene.

Infor­ma­tio­nen zur Nach­kriegs­ge­schichte des Ortes fin­den Sie auf der

Wei­tere Infor­ma­tio­nen

Bro­schüre

Aus­führ­li­che Infor­ma­tio­nen zur Geschichte des KZ Lim­mer und zu den Zwangs­ar­bei­te­rIn­nen­la­gern im Stadt­teil fin­den Sie in unse­rer Bro­schüre »Einen Ort der Erin­ne­rung schaf­fen – KZ und Zwangs­ar­beit in Hannover-Limmer 1944/45« (PDF, 44 Sei­ten DIN A5, Juni 2011). Einige Anga­ben sind nicht mehr aktu­ell, da es inzwi­schen neuere Erkennt­nisse gibt.

Titel Broschüre »Einen Ort der Erinnerung schaffen – KZ und Zwangsarbeit in Hannover-Limmer 1944/45«

Infor­ma­ti­ons­ta­fel

Zum 70. Jah­res­tag der Befrei­ung des KZ Conti-Limmer im April 2015 wurde der Gedenk­stein von 1987 durch eine von unse­rem Arbeits­kreis erstellte städ­ti­sche Infor­ma­ti­ons­ta­fel ergänzt. Auf die­ser fin­den Sie die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen zur Geschichte des KZ Conti-Limmer. Info­ta­fel lesen (PDF, 2 Sei­ten).

Informationstafel KZ Conti-Limmer von 2015