Buch­tipp: »NS-Verfolgte nach der Befrei­ung«

In »NS-Verfolgte nach der Befrei­ung. Ausgren­zungs­er­fah­run­gen und Neube­ginn« befas­sen sich die Autor:innen mit den Erfah­run­gen ehema­li­ger NS-Verfolgter nach ihrer Rück­kehr in verschie­dene Staa­ten und ihren Schwie­rig­kei­ten beim Neube­ginn. Chris­tine Eckel berich­tet in dem Sammel­band auch kurz über Chana Perel­man, eine ehema­lige Gefan­gene des KZ Conti-Limmer.

In der lesen­wer­ten Veröf­fent­li­chung »NS-Verfolgte nach der Befrei­ung. Ausgren­zungs­er­fah­run­gen und Neube­ginn« befas­sen sich die Autor:innen mit den – häufig nega­ti­ven – Erfah­run­gen ehema­li­ger NS-Verfolgter nach ihrer Rück­kehr in verschie­dene Staa­ten (u. a. Frank­reich und die Sowjet­union) und ihren Schwie­rig­kei­ten bei ihrem Neube­ginn nach der Befrei­ung. Nur eine Minder­heit der zurück­keh­ren­den Über­le­ben­den »wurde bei der Ankunft stür­misch gefei­ert und mitfüh­lend umsorgt«.

Chris­tine Eckel berich­tet in dem Sammel­band auch kurz über Chana Perel­man, eine ehema­lige Gefan­gene des KZ Conti-Limmer, und ihre Schwie­rig­kei­ten, nach der Befrei­ung in Frank­reich als Wider­ständ­le­rin (»deporté résistant«) aner­kannt zu werden:

»Die Hart­nä­ckig­keit ehema­li­ger Depor­tier­ter konnte aber durch­aus zur Neube­wer­tung ihrer Anträge führen, so im Fall von Chana Perel­man. […] Die 1907 gebo­rene polni­sche Jüdin war 1931 nach Frank­reich einge­wan­dert und arbei­tet als Stri­cke­rin in Paris. Sie enga­giert sich früh in der kommu­nis­ti­schen Wider­stands­gruppe einge­wan­der­ter Frauen und Männer Francs-tireurs et partisans – main d’œu­vre immi­g­rée (FTP-MOI). Nach­dem Chana Perel­man im Juli 1942 nur knapp ihrer Verhaf­tung bei einer Razzia der fran­zö­si­schen Poli­zei nach auslän­di­schen Jüdin­nen und Juden entge­hen konnte, lebte sie unter falschem Namen. In Ihrer Wohnung verviel­fäl­tigte sie Flug­blät­ter und gab sie an Kontakt­per­so­nen weiter. Im April 1943 wurde das Netz­werk enttarnt und Chana Perel­man von der fran­zö­si­schen Brigade speciale, einer auf die Verfol­gung von Kommu­nis­tin­nen und Kommu­nis­ten spezia­li­sier­ten Einheit, verhaf­tet. Es folgte eine Verur­tei­lung zu zwei Jahren Haft. Der Verbleib als kommu­nis­ti­sche Gefan­gene in fran­zö­si­scher Hand rettete ihr vermut­lich das Leben: Da sie in den Unter­la­gen wohl nicht zusätz­lich auch als Jüdin vermerkt worden war, entging sie der Über­stel­lung nach Drancy und der Depor­ta­tion in ein Vernich­tungs­la­ger. Im Mai 1944 wurde sie als poli­ti­sche Gefan­gene mit zahl­rei­chen weite­ren Insas­sin­nen der Haft­an­stalt Rennes an die deut­schen Besat­zer ausge­lie­fert. Sie über­lebte die Depor­ta­tion in das KZ Ravens­brück und in das Außen­lager Hannover-Limmer des KZ Neuen­gamme und wurde in Bergen-Belsen befreit.
Chana Perel­man, inzwi­schen verhei­ra­tete Bayan und seit 1950 Träge­rin der Carte de Combat­tant volon­taire de la Résis­tance, stellte l953 einen Antrag auf Aner­ken­nung als déporté résistant. Die von ihr vorge­leg­ten Doku­mente galten jedoch als nicht ausrei­chend, weder die Beschei­ni­gung der Wider­stands­or­ga­ni­sa­tion noch ein Poli­zei­be­richt, der über ihre Verhaf­tung 1943 Auskunft gab. Erst nach­dem Chana Bayan 1960 erneut einen Antrag stellte, erfolgte eine Neube­wer­tung ihres Falls. Fünf Jahre später erhielt sie schließ­lich die Carte de déporté résistant: Dabei wurde der bereits im ersten Antrag vorlie­gende Poli­zei­be­richt nun als ausrei­che­ner Beleg dafür aner­kannt, dass ihre Wider­stands­tä­tig­keit der Grund für die Verhaf­tung gewe­sen war. Auch waren inzwi­schen zwei weitere Mitglie­der des Netz­werks, die in dersel­ben Sache verhaf­tet worden waren, als dépor­tés résistants aner­kannt worden, sodass eine andere Behand­lung Chana Bayans dem Minis­te­rium als nicht zu recht­fer­ti­gen erschien.«

2022 stand die Gedenk­ver­an­stal­tung am Jahres­tag der Befrei­ung des KZ Conti-Limmer unter dem Titel »Befreit und doch nicht frei … Weiter­le­ben?! Spuren der Gefan­gen­schaft im KZ Conti-Limmer«. Das Skript mit vielen Auszü­gen aus Berich­ten ehema­li­ger Gefan­ge­ner des KZ Conti-Limmer über ihre Erfah­run­gen nach der Befrei­ung kann unten als PDF-Datei herun­ter­ge­la­den werden.

Das Buch

NS-Verfolgte nach der Befrei­ung.
Ausgren­zungs­er­fah­run­gen und Neube­ginn

Reihe: Beiträge zur Geschichte der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Verfol­gung; Bd. 3
Heft­ver­ant­wort­li­che: Alyn Beßmann, Insa Esche­bach, Oliver von Wrochem
Göttin­gen: Wall­stein Verlag 2022
262 Seiten
ISBN 978–3‑8353–5263‑6

Skript »Befreit und doch nicht frei … Weiter­le­ben?! Spuren der Gefan­gen­schaft im KZ Conti-Limmer«