Am 8. November 2021 verstarb in Paris im Alter von 97 Jahren Frau Dr. Annette Chalut, Überlebende des KZ Ravensbrück, ehemalige Gefangene und Zwangsarbeiterin im KZ der Continental AG, Werk Limmer, und Überlebende des dreitägigen Fußmarsches nach Bergen-Belsen und der Zeit dort im KZ bis zur Befreiung durch die britische Armee.
Annette Chalut engagierte sich nach Besetzung der freien Zone Frankreichs durch deutsche Truppen zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester im Widerstand, der »Résistance«, und verhalf mit gefälschten Papieren jüdischen Verhafteten zur Befreiung und Flucht. Die Gestapo nahm sie daraufhin fest und deportierte sie am 18. Mai 1944 in das KZ Ravensbrück (Fürstenberg/Havel) in Brandenburg. Von dort wurde sie im Juni desselben Jahres in das KZ-Außenlager von Neuengamme bei den Continental-Gummiwerken in Hannover verlegt, wo sie Zwangsarbeit in der Gasmaskenherstellung im Werk Limmer leisten musste.
Annette Chalut hat darüber einen Bericht verfasst, der in eindringlichen Worten von dieser Zeit erzählt.
Seit ihrer Befreiung in Bergen-Belsen hat Annette Chalut sich bis zu ihrem Tod dafür eingesetzt, dass die Menschen in Frankreich und Deutschland, in ganz Europa und weltweit »die menschliche Gabe der Erinnerung und des Gedenkens auch in der Zukunft zu bewahren und zu würdigen wissen.« Unter dem Titel »Erinnerung bewahren – authentische Orte erhalten – Verantwortung übernehmen« verabschiedete sie 2009 mit internationalen Überlebendenverbänden dieses Vermächtnis. Annette Chalut war unter anderem von 1999 bis 2015 Präsidentin des Internationalen Ravenbrück Kommitees.
Unermüdlich war Annette Chalut darin, den Menschen, vor allem der Jugend, von ihren Erlebnissen zu berichten. Dafür reiste sie noch im hohen Alter, um möglichst vielen Menschen als Zeitzeugin Rede und Antwort zu stehen.
Im Frühjahr 2012 folgte sie einer Einladung der Region und der Landeshauptstadt Hannover sowie unseres Arbeitskreises nach Hannover. Nahezu eine Woche stand sie uns zur Verfügung. Im Arbeitskreis überprüften wir gemeinsam Berichte über damalige Geschehnisse und Unterlagen auf ihre Authentizität und Richtigkeit. In der IGS Linden und im Regionshaus folgte ein vor allem jugendliches Publikum gebannt ihrem Bericht und bekam Antworten auf seine Fragen. Gemeinsam fuhren wir die vermutliche Route des damaligen unmenschlichen Fußmarsches nach Bergen-Belsen nach, um dort der Menschen zu gedenken, die dort litten und starben oder, wie Annette Chalut, doch noch ihre Befreiung zu erleben. Wir durften dabei sein, als sie dort auf das Grab einer Lagerkameradin eine Rose pflanzte.
Wir haben von Annette Chalut viel erfahren und gelernt und Impulse erhalten für die Arbeit in ihrem Sinne: Erinnerung bewahren – authentische Orte erhalten – Verantwortung übernehmen. Dafür danken wir ihr und dafür, dass sie ein Leben lang in diesem Sinne aktiv war.
Danke, Annette Chalut!
Arbeitskreis »Ein Mahnmal für das Frauen-KZ in Limmer«