Vor 79 Jahren: Ankunft im Hotel Lute­tia in Paris

Am 8. Mai 1945 kommen die Gefan­ge­nen aus Frank­reich, die im geräum­ten KZ Limmer zurück­ge­blie­ben waren, mit der Bahn in Paris an. Zunächst müssen sie in das Repa­tri­ie­rungs­zen­trum im Hotel Lute­tia.

Am 30. April 1945 hatten die Gefan­ge­nen aus Frank­reich, die im geräum­ten KZ Limmer zurück­ge­blie­ben waren, Hanno­ver verlas­sen. Nun, am 8. Mai, kommen sie mit der Bahn in Paris an und müssen zunächst in das Repa­tri­ie­rungs­zen­trum im Hotel Lute­tia.

Simonne Rohner:

»Paris! Endlich waren wir in Paris … […]

Unge­dul­dig wartete ich auf die Busse, die uns abho­len soll­ten; die Offi­ziere ließen mich nicht auf eigene Faust heim­keh­ren.

›Sie müssen ins Lute­tia zur Kontrolle!‹

Gegen 9 Uhr endlich kamen fahnengeschmückte Busse […] Während der ganzen Fahrt grüßten uns die Menschen, warfen uns Kusshände zu, wink­ten, und wir riefen: ›Will­kom­men Frank­reich! Will­kom­men Paris!‹ […]

Im Lute­tia erwar­tete uns eine Mensch­masse, unbe­weg­li­che, verzerrte Gesich­ter, die Menschen stürz­ten sich auf uns, umring­ten uns, frag­ten uns aus. Pfad­fin­der und Poli­zis­ten muss­ten uns einen Zugang in das Hotel bahnen. Wieder eine mili­tä­ri­sche Kontrolle […]«

Simonne Rohner als Pari­se­rin kann das Hotel noch am glei­chen Tag verlas­sen und kehrt zu ihrer Fami­lie zurück.

Ihre aus dem Jura stam­mende Mitge­fan­gene Jehanne Lorge, die den Räumungs­marsch nach Bergen-Belsen mitma­chen musste, dort erkrankte und am 18. Mai mit dem Flug­zeug nach Frank­reich zurück­kehrt, bleibt zwei Tage bis zu ihrer Weiter­reise im Hotel Lute­tia. Sie schreibt über ihre Ankunft:

»Die Kran­ken werden in die für die Repa­tri­ier­ten bereit­ste­hen­den Kran­ken­häu­ser gebracht, wir ande­ren ins Hotel Lute­tia, das für unse­ren Empfang reser­viert wurde. Wir tref­fen dort am Abend ein, eine große Menschen­menge drängt sich vor dem Eingang, alle klat­schen. Wir sind über­wäl­tigt, durch­ein­an­der. Wir müssen aber noch die Forma­li­tä­ten über uns erge­hen lassen. An mehre­ren Schreib­ti­schen sitzen Gendar­men, die unsere Berichte aufneh­men.

Anlass der Verhaf­tung, Lager, in denen wir waren, usw. Die große Eingangs­halle im Erdge­schoss lässt an eine Prüfungs­si­tua­tion denken. Dann kommt eine medi­zi­ni­sche Unter­su­chung, Rönt­gen, Foto­gra­fie­ren. Der Repa­tri­ier­ten­aus­weis wird uns ausge­hän­digt.

Pfad­fin­der sind über­all zur Stelle, um uns zu helfen.

Die Damen vom Roten Kreuz sind liebens­wür­dig und aufmerk­sam. Spät in der Nacht werden wir zu unse­ren Zimmern gebracht, begeis­tert laufen wir über den Teppich­bo­den, freuen uns über die schö­nen komfor­ta­blen Betten mit Bett­wä­sche; welche Freude, darin zu schla­fen. Es klopft an der Tür, was jetzt noch? Das Abend­essen, zu dem wir wegen der ganzen Forma­li­tä­ten nicht gekom­men sind, es wird uns um ein Uhr nachts serviert. Das Essen sieht so appe­tit­lich aus, dass wir ihm alle Ehre erwei­sen. Über­haupt ist es unmög­lich zu schla­fen. Ich bin in einem herr­li­chen Zimmer, dessen Balkon in den Farben der Alli­ier­ten geschmückt ist. Wir fühlen uns wie in einem wunder­ba­ren Traum, so unbe­schreib­lich ist unsere Freude, wieder in Frank­reich zu sein.«

Der Text auf der oben abge­bil­de­ten Tafel, die seit dem 21. Mai 1985 am Hotel Lute­tia ange­bracht ist, lautet über­setzt:

»Von April bis August 1945 wurde in diesem Hotel, das damals zu einem Empfangs­zen­trum umge­wan­delt worden war, ein Groß­teil der Über­le­ben­den aus den Konzen­tra­ti­ons­la­gern der Nazis empfan­gen – glück­lich, ihre Frei­heit und die gelieb­ten Menschen, denen sie entris­sen worden waren, wieder­zu­fin­den.

Ihre Freude konnte die Angst und den Schmerz der Fami­lien von Tausen­den von Vermiss­ten, die hier vergeb­lich auf ihre Ange­hö­ri­gen warte­ten, nicht tilgen.«