10.04.1945: Befrei­ung in Limmer

»Plötz­lich ist es still, mit gespitz­ten Ohren lauschen wir den Geräu­schen in der Ferne, wir hören Gesang, ohne zu verste­hen, was gesun­gen wird. Ich stehe am Fens­ter, da kommen sie, sie sind am Eingang des Lagers, wie verrückt wirbele ich herum, ich kann meine Latschen nicht finden, wir laufen hin, zwei ameri­ka­ni­sche Schüt­zen sind da, wie unsere Freude beschrei­ben, wir schauen sie mit gefal­te­ten Händen an, mit Tränen in den Augen, sie sind über­rascht, müde, sie haben drei Tage und drei Nächte gekämpft und wir sind die ersten fran­zö­si­schen poli­ti­schen Gefan­ge­nen, die sie tref­fen […].
Sie bitten uns, das Lager nicht zu verlas­sen [….][weil] um uns herum immer noch gekämpft wird, also holen wir zu einer unver­gess­li­chen Minute unsere Fahne heraus und ziehen mit ihr zum Lager­tor […] dort gehisst, weht sie frei und stolz, wir machen einen Kreis, eine Schweige­minute, geden­ken unse­rer in Deutsch­land gestor­be­nen Kame­ra­din­nen und auch derje­ni­gen, die weni­ger Glück haben als wir, die noch unter­wegs sind […]. Dann erhebt sich der Gesang unse­rer Marseil­laise, wie soll man diese Momente vor dem Block der Mäuse* beschrei­ben, wo wir so geschla­gen, so schi­ka­niert, so verängs­tigt worden sind. Nun sind wir frei, frei, frei […]«

Yvonne Curvale, ehema­lige Gefan­gene des KZ Conti-Limmer

*Abfäl­lige Bezeich­nung der Gefan­ge­nen für die SS-Aufseherinnen.