08.05.1945: Nach der Rück­kehr in Paris

»Ich rannte die Trep­pen hinauf und stürzte in das kleine Zimmer; eine lebende Leiche erwar­tete mich. Er sah mich an und ein klei­nes Lächeln zeich­nete sich auf seinen Lippen ab: ›Ah, da bist du ja, Mama! Du bist auch zurückgekommen …‹
Er schloss die Augen, ich drückte meine Lippen auf seine schweißüberströmte Stirn, er öffnete erneut die Augen und sagte zu mir: ›Diese Schweine haben mich nicht geschafft!‹
Erschöpft wendete er den Blick ab. Ich blieb nah bei ihm, hielt seine fieber­heiße Hand. Die harte Wirk­lich­keit traf mich tief, ein neuer Kampf wartete auf mich, ein Kampf gegen den Tod, den ich in dem klei­nen sticki­gen Zimmer schon spüren konnte.
Später lag ich in meinem Bett, die Nacht war schreck­lich, voller Tränen und Schluch­zer. Nein, das war es nicht gewe­sen, wovon ich geträumt hatte, als ich mir die Rückkehr ausge­malt hatte. Das Leben lastete auf mir. Alle Freude hatte mein Herz verlas­sen. Sorgen und Ängste kehr­ten zurück. Der Kampf begann aufs Neue.
Es war der 8. Mai 1945 …«

(Simonne Rohner, ehema­lige Gefan­gene des KZ Conti-Limmer)